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Strassenkinder in Antananarivo erlernen Tischlerhandwerk

Ein Praktikumsbericht von Arne Kübitz
Einleitung · 1. Monat · 2. Monat · 3. Monat · Fazit · 1. Exkursion · 2. Exkursion · Fotos und Links · Zeitungsbericht
Zusammenfassung des zweiten Monats meines Aufenthaltes in Tana vom 29.10.2000
1. Besuch der Straßenkinder

Ich habe nur vereinzelt an den Terminen teilgenommen, da es zwar interessant ist, die Lage auf der Straße zu sehen, es aber für mich andere, mir wichtigere Aufgaben gibt. Da ich in meiner hiesigen Reserviertheit auch nicht so locker mit den Kindern auf der Straße spielen kann, ist auch der Nutzen meiner Anwesenheit nicht sehr groß, außer daß es viel Aufsehen erregt, wenn ein Vazaha (Weißer) bei den Straßenkindern und deren Müttern steht. Da stellen sich dann alle möglichen, wildfremden Menschen um einen herum und wollen hören, was es da so zu erfahren gibt. Was will der Vazaha von den Kindern? Dieses offensichtliche und penetrante Gegaffe ist ziemlich nervig, aber ich komme damit klar. Ich werde in meinem letzten Monat wahrscheinlich nur noch einmal am Termin teilnehmen.
Erwähnenswert ist dabei auch noch, daß der Besuch der Straßenkindern bei einigen madagassischen Mitarbeiterinnen nicht sehr beliebt ist. Denn Straßenkinder stehen im Ansehen ganz am Ende der Gesellschaft, noch hinter den Straßenkötern, die überall getreten und verscheucht werden. Einigen Mitarbeiterinnen ist es peinlich mit diesem "Abschaum" gesehen zu werden. Man kann die Belegschaft durchaus in zwei Lager teilen. Die einen, die den Job mit sozialen Engagement und aus Überzeugung machen, die anderen, die hier arbeiten um Geld zu verdienen und dafür möglichst wenig Kontakt mit den Kindern haben wollen.

2. Sprachbarriere

Sie existiert auch weiterhin. Ich habe mich damit abgefunden, daß ich keinen tiefgreifenden Kontakt zu den Felana Jungs bekommen werde. Das ist wirklich schade, läßt sich für mich aber nun mal nicht ändern. Ich werde in meiner Zeit hier nicht mehr genug malagasy lernen, auch wenn es jeden Tag besser geht. Ich wußte ja im Voraus, daß ich Sprachprobleme haben werde. Dafür hat es bisher gut geklappt, finde ich. So viel französisch wie ich gelernt habe, hätte ich in Deutschland niemals gelernt. Das malagasy ohnehin nicht. Trotzdem bin ich traurig darüber nicht wirklich in den Jungs etwas bewegen zu können. In der kurzen Zeit könnte ich zwar sowieso nichts großartig verändern, aber vielleicht zumindest einen Anstoß geben.

3. Felana

Es hat sich ordentlich was bewegt in der Felana Gruppe. Es ist durchaus eine Hierarchie zu erkennen. Manga und Roland haben am meisten zu sagen, Liva ebenfalls, Michel hat viel Einfluß, Bruno hat nicht viel zu sagen, ist aber akzeptiert, Martin ist ein bißchen der Clown, Heriman der "Bösewicht", Jean der Außenseiter, der von allen getriezt wird.
Heriman wäre schon einmal beinahe raus geflogen, weil er faul ist und keine der Pflichten im Alltag übernimmt. Wäre Theophile nicht eingeschritten, hätte Roland seinen jüngeren Bruder Heriman, zurück auf die Straße gesetzt. Das ganze geschah für mich so urplötzlich, wie aus heiterem Himmel. Daran merke ich mal wieder, daß ich wirklich nicht richtig mitbekomme, was innerhalb der Gruppe passiert.
Die Jungs sind auch selbstbewußter geworden. Sie fangen an immer mehr zu fordern, probieren aus, was raus zu bekommen ist aus dem Laden. Bekommen sie etwas, hält das aber nicht lange den harten Bedingungen stand. Die Tam-Tam (Trommel) hat es immerhin fast zwei Monate durchgehalten, ein Lederball hat es auf zwei Wochen gebracht, Plastikbälle sind innerhalb weniger Tage kaputt. Man merkt doch, daß sie nicht gerade die Angewohnheit haben mit Dingen sorgsam umzugehen.

4. Theorie und Praxis Unterricht

Der Theorie Unterricht hat sich auch verändert. Theophile zieht seine Unterrichtsstunden voll durch. Das sind nicht immer viele Informationen, da die Jungs lange zum Abschreiben brauchen, aber sie halten die 3 bis 4 Stunden durch. Zwischendurch gibt es meist nur eine kleine Pause.
Monsieur Augustin hat sich in den letzten Wochen nicht mehr blicken lassen, ich weiß nicht warum. Auch Theophile scheint es nicht zu wissen, oder er will es mir nicht sagen. Jedenfalls läuft der Laden jetzt wohl erstmal ohne ihn.
Mein französisch Unterricht ist lascher geworden, ich bereite ihn nicht mehr sehr genau vor, lebe von meinem Improvisationstalent. Das Niveau im Unterricht ist inzwischen auch so hoch, daß ich mich wirklich inhaltlich sehr gut vorbereiten müßte, um den Ansprüchen zu genügen. Hätte ich mehr Zeit wäre das eine Herausforderung, durch den Zeitdruck (wegen des Ausbaus bei Tsiry) ist es aber eher eine Belastung. Noch drei Unterrichtsstunden werde ich geben. Wenn die Zeit da ist, werde ich sie gut vorbereiten.

5. Sonstiges Programm

Am letzten Samstag, 28.10.00 war ich gemeinsam mit den Felana Jungs, den Mädchen von Vony, Anke (Praktikantin), Madame Victoire, Madame Pine und Madame Simon in Ambohimanga (Siehe 2. Exkursion).
Momentan plane ich ein Lied mit den Jungs aufzunehmen, da sie sehr musikalisch sind. Im Praxisunterricht singen sie des öfteren gemeinsam, was sich für meine Ohren erstaunlich harmonisch anhört. Es ist auch schon mal vorgekommen, daß Theophile mit einstimmte, was mich sehr erfreut hat. In Deutschland wäre doch sowas überhaupt nicht vorstellbar: gemeinsam singende Auszubildende bei der Arbeit... ein Lehrer der mitsingt? Das hat mein Herz sehr erwärmt. Einige der Jungs spielen sehr gut Trommel.
In meinem Kopf kreist die Idee, etwas aufzunehmen und in Deutschland tontechnisch nachzubearbeiten. Ob das Ganze gelingt ist noch unklar. Aber ich will weiter dran arbeiten, den Plan aufgeben kann ich immer noch. Die Zeitfrage und die technischen Möglichkeiten sind entscheidende Probleme dabei.

6. Meine derzeitige Hauptaufgabe

Die Praktikanten Wohnung ist zu Ende November gekündigt. Ich bin noch immer voll mit dem Ausbau der Zimmer bei Tsiry beschäftigt. Zur Zeit meist alleine, da die Jungs jeweils einen Hocker im Praxisunterricht bauen. Das macht aber auch nichts, da ich alleine fast mehr schaffe, als mit Hilfe der Jungs.
Heute will ich im oberen Praktikanten-Zimmer bei Tsiry beginnen die Leichtbauwand zu bauen. Dort wohnt zur Zeit Anke. Das Zimmer soll in der Mitte geteilt werden, so daß aus einem größeren Zimmer zwei kleinere entstehen. Im unteren Zimmer, der ehemaligen Waschküche auf dem Hof, sind nur noch kleinere Arbeiten zu machen, bei denen ich zur Zeit nicht weiterkomme. Deshalb will ich schon mal oben weitermachen.
Ich schaffe momentan jeden Tag recht viel, da der Zeitdruck so angewachsen ist. Denn ich möchte am Ende meines Aufenthaltes noch 10 Tage in den Süden zu Nana fahren, einer madagassischen Freundin, die ich bei meiner ersten Reise nach Madagaskar kennengelernt habe.
Doch bevor die Arbeit hier nicht geschafft ist, kann ich auch nicht nach Toliara abfahren, das ist klar. Desweiteren habe ich einen Verschlag unter der Treppe bei Felana gebaut, wo die Lebensmittel reingestellt werden sollen, da die Jungs vermuten, daß Theophiles Familie sich von diesen bedient. Kleinigkeiten, wie Lineale für die Mädchen von Vony mache ich nebenbei.

7. Die zweite Phase

Ich habe nun auch den zweiten Monat geschafft, es beginnt die dritte Phase, da ich meinen Aufenthalt in drei Teile getrennt habe. Teil zwei und drei scheinen sich aber nicht mehr wirklich zu trennen, so wie ich es in der Theorie gedacht habe. Das einzige was sie unterscheiden wird, ist der Zeitdruck und das Gefühl bald nach Hause zu fahren.
Ich habe mich inzwischen voll in den madagassischen Alltag eingelebt und mein zu Hause ist ziemlich weit weg, jetzt auch in meinem Kopf. Die drei Monate scheinen so verdammt kurz. Wollte ich hier wirklich etwas bewirken, müßte ich mindestens sechs Monate bleiben. Aber Anke, die ja sechs Monate hier sein wird, sagt auch schon jetzt, daß ihr die sechs Monate nicht ausreichen werden, daß sie das Gefühl haben wird mittendrin aufhören zu müssen. Sie möchte ihren Aufenthalt auf ein Jahr verlängern. Vielleicht stellt man sich einfach auf die angepeilte Zeit ein und stellt fest, daß sie zu kurz ist, egal wie lang sie nun wirklich ist. Vielleicht gibt es hier einfach kein Ende. Mir ist inzwischen klar, daß mein Aufenthalt nichts anderes gewesen sein wird, als eine kleine Stippvisite. Für mich eine große Sache, für das Projekt werde ich der gewesen sein, der die Praktikantenzimmer ausgebaut hat, mehr nicht.
Und trotzdem mache ich meine Arbeit hier gerne, ich bin froh etwas hinterlassen zu können. Ich werde meine Liste abarbeiten und dann nach Hause fahren und denken, ja, du hast nicht viel geschafft, aber immerhin etwas.

8. Werkzeuge und Material

Es ist und bleibt für mich eine Katastrophe hier. Es scheint mir unmöglich unter den Gegebenheiten vernünftig zu arbeiten. Aber wie heißt es so schön: man gewöhnt sich an alles. Ist halt alles schief und krumm, läßt sich nicht ändern. Holztrocknung ist hier ein Fremdwort, das Holz wird naß verarbeitet, da kann man sich ausrechnen wie lange es dauern wird, bis alles völlig verzogen ist. Ich werde dann schon wieder in Deutschland sein. So muß sich ein anderer damit herumschlagen. Ich hoffe nur, daß dieser dann nicht sagt, "was für ein Tischler hat denn diese Arbeit abgeliefert?"

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